Herstellung und Rohstoffe

Ihre Herstellungsverfahren hat die europäische PVC-Branche in den vergangenen Jahren konsequent optimiert. Das gilt auch für die Rezepturen. So gibt es bei der Verwendung von Stabilisatoren und Weichmachern bedeutende Veränderungen.

Synthese aus Erdöl und Steinsalz

Ausgangsprodukte für die PVC-Herstellung sind Erdöl/Erdgas und Steinsalz. Aus Erdöl entsteht über die Zwischenstufe Naphtha durch thermische Spaltung Ethylen. Chlor wird dagegen auf elektrochemischem Weg (Chlor/Alkali-Elektrolyse) aus Steinsalz gewonnen. Dazu kommt heute mehrheitlich das moderne, stromsparende Membranverfahren zum Einsatz, das ab 2017 dann ausschließlich in der EU angewendet wird. Als wichtige Koppelprodukte fallen dabei Natronlauge und Wasserstoff an. Sie sind wiederum Rohstoffe für viele andere Synthesen. Aus Ethylen und Chlor im Verhältnis 43 % zu 57 % wird Vinylchlorid (VC) hergestellt. VC ist der monomere Baustein von PVC. Die Umsetzung von VC zu PVC erfolgt technisch durch verschiedene Verfahren zu Suspensions- (S-PVC), Emulsions- (E-PVC) und Masse-PVC (M-PVC).

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Additive

PVC-Produkte entstehen aus einem weißen, geruchlosen Pulver, das bei der Weiterverarbeitung zu Halbzeugen oder Fertigartikeln mit Zusätzen (Additiven) gemischt wird. Eine solche Zugabe erfolgt nicht nur bei praktisch allen Kunststoffen, sondern auch bei traditionellen Werkstoffen wie Glas, Stahl, Beton etc. und wird Additivierung genannt.

Im Wesentlichen werden folgende Additive verwendet:

  • Stabilisatoren und Co-Stabilisatoren
  •  Gleitmittel
  • polymere Hilfsstoffe zur Verbesserung der Zähigkeit (Modifier), der Wärmeformbeständigkeit und/oder des Verarbeitungsverhaltens
  • Füllstoffe
  • Pigmente
  • Weichmacher

Zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit und der Beeinflussung der Endproduktqualität von PVC werden Zusatzstoffe, sogenannte Additive, verwendet. So ermöglichen zum Beispiel Stabilisatoren und Gleitmittel die Verarbeitung des Polymers in unterschiedlichen Verfahren. Zusätze wie Modifier, Weichmacher und Pigmente sorgen für die gewünschten spezifischen Materialeigenschaften des fertigen Produktes. Durch die geeignete Auswahl und Zusammensetzung der Additive können aus dem Werkstoff unterschiedliche Artikel wie hauchdünne flexible Folien zum Verpacken von Frischfleisch oder robuste Rohre für die Trinkwasserversorgung hergestellt werden. Additive können als einzelne Komponenten oder wie im Falle von Stabilisatoren und Gleitmitteln als sogenannte One-Packs – eine Mischung von mehreren Komponenten – zugegeben werden. Daraus resultiert ein vielfältiges Spektrum an Produkteigenschaften, das gezielt auf das Anforderungsprofil eingestellt werden kann, und somit eine große Bandbreite an Produkten.

Stabilisatoren

Die Verwendung von Stabilisatoren gewährleistet eine ausreichende Hitzestabilität von PVC während der Verarbeitung und schützt das Endprodukt vor Veränderungen durch Wärme, UV-Licht oder Sauerstoff. In PVC-Produkten werden anorganische und organische Salze der Metalle Calcium, Zink, Barium, Blei oder Zinn eingesetzt. Diese Salze sind im Molekülgefüge fest verankert. Sie gelangen bei Gebrauch der Produkte nicht in die Umwelt. Beim Einsatz von Stabilisatoren kam es in den vergangenen Jahren zu deutlichen Verschiebungen. So hat die europäische Industrie den Verkauf und die Verwendung von Cadmium-Stabilisatoren in allen Mitgliedstaaten der EU eingestellt und wird ab 2016 vollständig Blei-Stabilisatoren bei Neuwaren ersetzen. Der europäische Stabilisator-Verband ESPA und der europäische Kunststoff-Verarbeiter-Verband EuPC vereinbarten im Oktober 2001 in ihrer Freiwilligen Selbstverpflichtung Vinyl 2010, auch Blei-Stabilisatoren zu ersetzen. Dafür hatten sie sich mehrere Zwischenziele gesetzt (Basis: Verbrauch im Jahr 2000):

  • minus 15 % im Jahr 2005
  • minus 50 % im Jahr 2010
  • minus 100 % im Jahr 2015

Das Ziel für 2010 wurde schon im Jahr 2008 übertroffen. Im Jahr 2010 lag die Reduzierung von Blei-Stabilisatoren bereits bei rund 76 %. Gleichzeitig ist die Erforschung und Entwicklung alternativer Stabilisierungssysteme in den letzten Jahren unter erheblichem finanziellem Aufwand sehr weit vorangeschritten. Neben den Systemen auf Calcium/Zink-Basis, deren Marktanteil in Westeuropa von 5 % im Jahr 1994 auf heute weit über 50 % gestiegen ist, spielt auch Zinn eine wichtige Rolle. Neuere Entwicklungen nutzen außerdem metallfreie, organische Stabilisierungs-Systeme. Die in den Mischungen verwendeten Einsatzmengen an Thermostabilisatoren sind in den vergangenen Jahren durch effizientere Additive und exaktere Prozessführung gesunken. Durch die Wiederverwertung von älteren Produkten kann Rezyklat Cadmium und Blei enthalten. Dies ist gesetzlich zulässig, um Anreize für die Verwendung recycelter Materialien zu schaffen. Für Cadmium wurde in der EU-Kommissionsrichtlinie 494/2011 vom 20. Mai 2011 der Wiedereinsatz von cadmiumhaltigem Rezyklat bereits gesetzlich geregelt.

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Weichmacher

Etwa 70 % des produzierten PVC wird in Europa zur Herstellung harter Produkte verwendet wie zum Beispiel für Fensterprofile und Rohre, die sich durch ihre Langlebigkeit und Witterungsbeständigkeit auszeichnen. Die verbleibenden 30 % werden zu flexiblen Produkten weiterverarbeitet. Weichmacher verleihen PVC spezielle Gebrauchseigenschaften, die solchen von Gummi ähnlich sind. Der von Natur aus harte Werkstoff wird durch ihren Zusatz elastisch. Gleichzeitig bleibt er formstabil. Weich-PVC lässt sich auf vielfältige Weise zu einem breiten Spektrum von Produkten verarbeiten. Pasten aus einer Mischung von PVC und Weichmachern erweitern das Angebot beispielsweise durch ausdrucksstarke Vinyltapeten oder pflegeleichte hygienische Bodenbeläge.

Weich-PVC zeichnet sich durch seine hervorragenden Materialeigenschaften aus, die ein vielseitiges Anwendungsspektrum ermöglichen. Flexible Produkte wie Kunstleder, witterungsbeständige Dachbahnen oder schwer entflammbare Kabel bereichern unser Leben, machen es komfortabler und sicherer. In der medizinischen Versorgung haben sich weiche PVC-Anwendungen schon seit Jahrzehnten bewährt. Blutbeutel, Schlauchsysteme oder Wundverbände sind elementare Bestandteile der Patientenversorgung. PVC ist der Kunststoff Nr. 1 bei Medizinanwendungen. Dank ihrer guten Verträglichkeit empfehlen Experten PVC-Produkte in diesem Bereich auch für hochempfindliche Allergiker.
Die am häufigsten eingesetzten Weichmacher sind Ester der Phthalsäure. Bei ihrer Verwendung erfolgte im europäischen Markt in den letzten Jahren eine Veränderung hin zu hochmolekularen Weichmachern. Den größten Anteil bilden hier DINP und DIDP. Diese Stoffe haben niedermolekulare Weichmacher wie DEHP, DBP und BBP im Markt abgelöst. Auch weitere Spezialweichmacher erlangten inzwischen wirtschaftliche Bedeutung. Zu ihnen gehören Polymerweichmacher auf Adipinsäurebasis, Adipate, Terephthalate und andere phthalatfreie Weichmacher wie z.B. DINCH.

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In der öffentlichen Diskussion werden Phthalate immer wieder mit schädlichen Wirkungen für Mensch und Umwelt in Verbindung gebracht. Diese pauschale Verurteilung ist nicht gerechtfertigt. Es gibt sehr viele Phthalate, die sich in ihrer Wirkung deutlich voneinander unterscheiden. Niedermolekulare, kurzkettige Phthalate (DBP, DIBP, BBP, DEHP) sind als reproduktionstoxisch eingestuft worden, d.h. sie stehen u.a. in Verdacht, die Fortpflanzung zu beeinträchtigen. Im Rahmen von REACH, der neuen europäischen Chemikaliengesetzgebung, wurden diese Stoffe als „Substanzen mit besonders besorgniserregenden Eigenschaften“ gelistet. Ihre Produktion und Anwendungen haben ein Zulassungsverfahren durchlaufen und können seit Februar 2015 nur noch von den Unternehmen in der EU verwendet werden, die die entsprechende Zulassung erhalten haben.
Im Unterschied dazu haben die höhermolekularen Phthalate DINP und DIDP andere Eigenschaften. Diese Stoffe sind nicht kennzeichnungspflichtig und können weiterhin für alle derzeitigen Anwendungen mit Ausnahmen (siehe unten) eingesetzt werden. DINP und DIDP gehören zu den toxikologisch und ökologisch am intensivsten untersuchten Stoffen. Beide Weichmacher durchliefen langjährige Prozesse zur Risikoabschätzung und -bewertung der EU. Im Januar 2014 hat die Europäische Kommission ihre Ergebnisse zur Neubewertung der Beschränkung von DINP und DIDP in Spielzeug und Babyartikeln, die in den Mund genommen werden können, veröffentlicht. Die EU-Kommission stimmt mit den Ergebnissen der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) überein, die Beschränkungen für Spielzeug und Babyartikel, die von Kindern in den Mund genommen werden können, bestehen zu lassen. Im Gegensatz dazu wurde in allen anderen Anwendungen kein Risiko identifiziert, das weitere Schritte zur Verminderung der Exposition von DINP und DIDP notwendig macht.

Die Weichmacher DEHP, DBP und BBP dürfen in der EU seit 1999 in Kinderspielzeug und Babyartikeln nicht mehr eingesetzt werden.